Wer in diesen Wochen das Bedürfnis verspürt, Kunst zu sehen, die nicht hinter Schaufenstern oder auf digitalen Bildschirmen präsentiert wird, für den empfiehlt sich ein Besuch im „Apartment der Kunst“. Der nicht-kommerzielle Kunstraum liegt in einem Hinterhof nahe dem Südeingang zum Englischen Garten und wurde 2013 vom Künstler Lars Koepsel gegründet. Er organisiert hier unter anderem regelmäßig Ausstellungen mit Austauschkünstler*innen aus Taiwan oder nutzt die Räumlichkeiten über den Winter selbst als Atelier.
Der Lockdown im Frühjahr gab den Anstoß für ein neues Ausstellungsformat, welches seit Ende Dezember 2020 im Apartment stattfindet. SHELTER ist als sogenannte Mikroveranstaltung konzipiert, die eine intime Begegnung mit der Kunst ermöglicht. Besuchende in Museen nehmen sich durchschnittlich etwa 30 Sekunden Zeit pro Werkbetrachtung – wer sich für das Apartment der Kunst einen freien Termin sichert, dem stehen hingegen zwei volle Stunden zur Verfügung, um die wenigen Werke auf den etwa 30qm auf sich wirken zu lassen. Statt anderen Besucher*innen zu begegnen oder den Blicken des Aufsichtspersonals ausgesetzt zu sei, ist man hier auf sich allein zurückgeworfen und darf es sich mit einer Begleitperson seiner Wahl in den alten grünen Vintage-Sesseln in der Mitte des Raumes gemütlich machen. Kein White Cube, stattdessen ist die Kunst eingebettet in ein Wohnzimmer-Setting und es herrscht eine heimelige Atmosphäre, die zu einer kontemplativen Begegnung einlädt. Trotz Corona kann man der Kunst hier endlich wieder nah sein, näher sogar als normalerweise: Neben Texten zur vertiefenden Lektüre, Snacks und einer Flasche Wein, liegen Handschuhe parat, mit welchen man die Werke tatsächlich berühren darf.
Lars Koepsels erprobt in seinen Arbeiten das Schreiben als gestisch-performative, fast rituelle Handlung. Ähnlich wie Mönche in mittelalterlichen Klöstern beschäftigt er sich mit dem langwierigen Kopieren von Texten, wobei der handschriftliche Duktus eine Nähe zu ostasiatischer Kalligraphie erkennen lässt. Diese gleichsam spirituelle Komponente im Werk des Künstlers wird ergänzt durch politische, philosophische und humanistische Inhalte. Die Texte, die Ausgangspunkt für Koepsels Arbeiten sind, stammen aus den Federn von Hannah Ahrendt, Descartes, Max Frisch oder Erich Fromm. Doch schreibt der Künstler diese nicht linear ab, sondern ändert den Schreibfluss, schlägt immer wieder neue Richtungen ein, sodass Bestehendes überschrieben wird, sich Schichtungen bilden und so eine Textur aus Zeichen entsteht. Dabei geht zwar die Lesbarkeit verloren, doch bildet sich eine neue Formensprache heraus, welche Papier, ehemalige Landkarten oder Globen überzieht.
Noch bis zum 21. März können individuelle Termine im SHELTER gebucht werden, für zwei exklusive Stunden mit Lars Koepsels Kunst im Hinterhofgebäude der Schönfeldstraße 19.
Kunstvisite ist ein wöchentliches Format des Kunstclub13 e.V., das in Zusammenarbeit mit Hotspots of Art erscheint.
Text und Fotocredits: Hanna Banholzer